Paradigmenwechsel
Ich habe mich so lange mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandergesetzt, beruflich wie privat, dass es für mich völlig normal ist, nach diesen Werten zu leben. Es erscheint mir sonnenklar, dass wir, wenn wir unseren Kindern einen lebenswerten Planeten hinterlassen möchten, dessen Ressourcen schonen und die Natur erhalten müssen – was dem vorherrschenden Konsumdenken in unserer Gesellschaft diametral widerspricht. Für mich ist es selbstverständlich geworden, nur Dinge zu kaufen, die ich wirklich benötige, vieles davon gebraucht. Ich nutze lieber öffentliche Verkehrsmittel, statt Auto zu fahren und bin überzeugte Radfahrerin. Und obwohl ich mir bewusst bin, dass Konsumenten alleine nicht für die Rettung des Planeten verantwortlich gemacht werden können – darum geht es auch in meinem Buch „Zukunft wird mit Mut gemacht“ – bin ich doch der Meinung, dass jede/r von uns einen Beitrag leisten kann. Doch wird das ausreichen?
Naturschutz statt CO2-Reduktion
In den vergangenen Jahren hat sich etwas in der allgemeinen Wahrnehmung verändert, der Begriff Umweltschutz wurde durch Klimaschutz ersetzt. Das führt dazu, dass auf der einen Seite die CO2-Reduktion zum alles bestimmenden Ziel geworden ist und auf der anderen Seite sich immer mehr Menschen von nachhaltigem Handeln und Naturschutz abwenden. Plötzlich wird vieles, was bereits Konsens war, in Frage gestellt oder lächerlich gemacht: Ein achtsamer Umgang mit den Ressourcen unseres Planeten. Alternativen zu unserem neoliberalen und ausbeuterischen System. Weniger und bewusster Konsum, regenerative Modelle, Kreislaufwirtschaft. Denn egal, wie wir es drehen und wenden: Wir haben nur diesen einen Planeten, der unsere Lebensgrundlagen bereitstellt.
Regeneration statt Nachhaltigkeit
Seit ich begonnen habe, mich umfassend mit dem Thema Umwelt und Klima auseinander zu setzen und das einseitige CO2-Narrativ kritisch zu hinterfragen, haben sich meine Zugänge verändert. Ich habe mich ausführlich mit ganzheitlichen Ansätzen wie der Rolle der regenerativen Landwirtschaft beschäftigt und erkannt, dass Nachhaltigkeit nicht mehr ausreicht, sondern wir zur Regeneration übergehen müssen. Martin Grassberger schreibt in seinem Buch „Regenerativ. Aufbruch in ein neues ökologisches Zeitalter“: „Unsere Zivilisation sieht sich zunehmend mit ausweglos erscheinenden Krisen konfrontiert, die auf eine fragmentierte, reduktionistisch-mechanistische Sichtweise auf das Leben sowie eine Entfremdung des Menschen von der Natur und von sich selbst zurückzuführen sind. Mit Nachhaltigkeit, Faktenwissen und technischen Innovationen allein können wir diese degenerative Entwicklung nicht aufhalten. Die von der Natur gesetzten Rahmenbedingungen sind das Maß aller Dinge und damit auch der Maßstab, nach dem wir uns stets richten sollten.“
Viele Fragen gehören neu gestellt:
Wie können wir ein neues Bild von unserem Planeten vermitteln, auf dem alles miteinander verbunden ist – Mensch, Tierwelt, Natur?
Wie gelingt es uns, weniger Energie zu verbrauchen? statt: Wie können wir mehr erneuerbare Energie erzeugen? Denn auch diese benötigen Ressourcen, die endlich sind.
Letztendlich: Wie kommen wir weg von der starren Fixierung auf Zahlen, die so viele andere Komponenten außer Acht lässt?
Ökozid statt Klimakrise
Der Autor und Kulturphilosoph Charles Eisenstein plädiert in seinem Buch „Klima. Eine neue Perspektive“ dafür, zur Bewältigung der Umwelt- und Klimakrise nicht CO2, sondern Ökozid als Gradmesser zu nehmen. Er fordert dazu auf, beim Umwelt- und Klimaschutz die Prioritäten neu zu setzen:
1. Höchste Priorität hat der Schutz aller verbliebenen Urwälder und anderer noch nicht geschädigter Ökosysteme wie Graslandschaften, Korallenriffen oder Mangrovensümpfen
2. Die Wiederherstellung und Regeneration der geschädigten Ökosysteme weltweit, u.a.: Erweiterung von Meeresschutzzonen, Umstellung auf regenerative Landwirtschaft zum Bodenaufbau, Aufforstung und Wiederaufforstung
3. Das Vergiften der Erde stoppen: mit Pestiziden, Herbiziden, Kunststoffen, Giftmüll, Schwermetallen, Antibiotika, elektromagnetischer Strahlung, chemischen Düngemitteln, Atommüll u.a.
4. Reduktion von Treibhausgasen in der Atmosphäre.
Als Erklärung, weshalb er den Treibhausgasen nur den viertwichtigsten Platz zuweist, schreibt Eisenstein, „..dass die Reduzierung von Treibhausgasen automatisch schon ein Nebenprodukt der drei höheren Prioritäten ist.“
Diese Ziele mögen für Einzelne unerreichbar klingen, und doch können wir alle einen Beitrag leisten. Eine Erkenntnis der letzten Jahre lautet, dass dies besser gelingt, wenn wir uns mit Gleichgesinnten zusammentun. Der Autor und Umweltaktivist Paul Hawken sagte 2007 in einer inspirierenden Rede: „Es ist meine Überzeugung, dass wir Teil einer Bewegung sind, die größer, tiefer und weiter ist, als wir selbst es wissen, oder wissen können.“ Weltweit gibt es immer mehr Menschen, die sich in Gemeinschaften, Vereinen oder NGOs zusammenschließen. Um gemeinsam die Welt zu verändern.