Schule ohne Druck
Weil sie ihren Kindern Bildung abseits des starren Schulsystems ermöglichen möchte, gründete Elisabeth Wasserbauer eine eigene Schule. An der Freien Schule Seenland können Kinder in ihrem eigenen Tempo lernen.
„Kinder lernen vom Augenblick der Geburt an“, heißt es auf der Homepage der Freien Schule Seenland. „Lernen ist ein natürlicher Prozess, der geschieht, wenn Menschen sich mit Begeisterung und Freude einer sinnstiftenden Tätigkeit hingeben.“ Elisabeth Wasserbauer hat gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten und zwei befreundeten Paaren eine Schule nach ihren Vorstellungen gegründet. „Kinder lernen ganz alleine zu gehen und zu sprechen, also werden sie auch in ihrem eigenen Tempo lesen und schreiben lernen“, ist Wasserbauer überzeugt.
An der LOTUS Schule gibt es Angebote für die Schüler, aber keinen fixen Lehrplan - die Abkürzung bedeutet Lernraum für Offenes Tun Und Sein. Das herkömmliche Schulsystem mit Leistungsdruck, stundenlangem Sitzen und Notensystem kam für die Mutter zweier Kinder nicht in Frage. „Wir haben die Idee einige Jahre mit uns herumgetragen, bevor wir 2019 mit den Vorbereitungen begannen.“ Das bedeutet: Ein pädagogisches Konzept und Organisationsstatut wurde erarbeitet und bei der Bildungsdirektion eingereicht. „Der große Vorteil in Österreich ist, dass eine private Schulgründung möglich ist – das ist nicht in allen Ländern so“, erklärt Wasserbauer. Bei der Gründung half, dass sich „die richtigen Leute“ fanden: „Unter den Gründern befinden sich zwei Pädagogen sowie ein Visionär, der bereits eine Schule in Nepal gegründet hat.“ Elisabeth Wasserbauer selbst war Geschäftsführerin der Österreichischen Medienakademie, bevor sie in Karenz ging. „Ich hatte immer schon den Hang zum Weltverbessern“, lacht die Oberösterreicherin. „Und ich probiere lieber etwas Neues aus, als über das Alte zu jammern.“
Natur, Gemeinschaft und Achtsamkeit
Das öffentliche Schulsystem steht seit Jahren in der Kritik: überforderte Lehrer, Frontalunterricht, der Fokus auf Schwächen statt auf Stärken sind nur einige der kritisierten Punkte. Immer mehr Kinder haben Schulangst. Die LOTUS Schule geht einen anderen Weg, „Zu Beginn waren wir mit 20 Kindern in einem großen Yogaraum, heute sind es schon 35 Schüler und Schülerinnen im Pflichtschulalter“, erzählt Elisabeth Wasserbauer. Vor einem Jahr ist die Schule von Seekirchen am Wallersee nach Lochen am See in einen ehemaligen Kindergarten übersiedelt. „Dort haben wir mehr Platz und einen großen Garten.“ LOTUS – Freie Schule Seenland ist eine Schule mit Öffentlichkeitsrecht und in freier Trägerschaft: das bedeutet, die Eltern verwalten und organisieren die Schule. „Jeder Elternteil bringt sich mit 30 Stunden pro Semester ein, die Arbeiten reichen von Putzen bis zur Öffentlichkeitsarbeit.“ Das Schulgeld beträgt 355 Euro pro Monat plus 30 Euro Jausengeld. „Wir hatten die Idee eines sozial gestaffelten Schulgeldes, haben jedoch keine Sponsoren gefunden“, bedauert Wasserbauer. Freie Schulen müssen sich komplett selbst erhalten und können daher nicht kostenfrei sein – ein Umstand, der seit Jahren kritisiert wird. „Unser Kompromiss war, dass die Lernbegleiter weniger verdienen als Lehrer an öffentlichen Schulen um das Schulgeld so niedrig wie möglich zu halten.“
Die Schule wird als altersgemischte Gesamtgruppe geführt, alle Kinder zwischen 6 und 15 Jahren arbeiten sowohl gemeinsam als auch in kleinen projektbezogenen Gruppen und lernen auf diese Weise voneinander. Aus dem Tagesablauf, den Projekten und den Interessen der Kinder ergeben sich unterschiedliche Gruppenkonstellationen, wobei die Schüler von Lernbegleitern unterstützt werden. „Eine Gruppe von Schülern hat beispielsweise Pizza nach eigenem Rezept gebacken, eine andere ein Baumhaus gebaut.“ Natur, Gemeinschaft und Achtsamkeit sind die drei Hauptsäulen des Unterrichts. „Lesen, schreiben und rechnen lernen die allermeisten Kinder ganz von selbst, in ihrem eigenen Tempo“, erklärt Elisabeth Wasserbauer. „Falls ein Kind im Alter von acht oder neun Jahren noch nicht lesen und schreiben kann, schauen wir uns an, wo die Gründe dafür liegen könnten.“ Struktur für die Schüler bieten ein gemeinsamer Start und Abschluss des Tages. Beim pädagogischen Konzept haben die Gründer sich an Vorreitern wie Maria Montessori, Rudolf Steiner oder Gerald Hüther orientiert.
Viel Aufwand, wenig Geld
Elisabeth Wasserbauer hat viel Zeit in die Gründung investiert und berufliche Ziele hintangestellt. „Während der Gründungszeit habe ich nächtelang Mails an meine Partner geschrieben.“ Sie befindet sich in einer beruflichen Neuorientierungsphase, für die Schule arbeitet sie ehrenamtlich. „Das bedeutet, dass ich mit wenig Geld auskomme und meine Lebenshaltungskosten reduziert habe.“ Die zweifache Mutter lebt mit ihrer Familie in einem Haus mit Garten, baut selbst Gemüse und Kräuter an. „Meine Kleider kaufe ich auf Flohmärkten“, erzählt die 47 jährige und ihre Augen leuchten, als sie gleich darauf vom Sommerfest in der Schule mit 100 Gästen erzählt.
Die Mühe hat sich ausgezahlt, Eltern und Schüler sind zufrieden. Und die Zahl der Schüler wächst: Ab Herbst 2024 werden bereits 43 Kinder und Jugendliche die LOTUS Schule besuchen.