Für das Multipolar Magazin habe ich Ricardo Leppe interviewt, der es sich zum Ziel gesetzt hat, das Bildungssystem zu revolutionieren. Dafür wird er von Schülern und Eltern gefeiert und von den großen Medien angegriffen.
Hier ein paar Auszüge:
Was meinen Sie, woher die Vorwürfe gegen Sie kommen?
Wenn eine Meinung nicht bequem ist und nicht zu dem passt, was aktuell ist, wird sie angegriffen. Und wenn man das, was getan wird, nicht angreifen kann, muss man den Menschen dahinter angreifen. Meine Inhalte werden nicht angegriffen, weil sie funktionieren – wie ich Schule oder Mathematik neu gestalten würde oder meine Art der Mathematik-Nachhilfe. Doch nichts davon wird in den Medien erwähnt, es geht immer nur um meine Person. Ich habe unzählige Fragen beantwortet zum Thema “rechtsradikal”, aber nur ein einziges Mal wurden diese Antworten abgebildet. Die letzten Male habe ich dann nicht mehr geantwortet. Diese Fragen kommen übrigens nur von Medien, die zwangsfinanziert werden.
Ich erwarte nicht, dass alle meiner Meinung sind, aber als Journalist muss man sich die andere Seite anhören, bevor man jemanden angreift. Ich erwarte mir, dass jemand, der in seinem Berufsbild stehen hat, dass er neutral ist und sich beide Seiten ansieht, das auch tut.
Wie stellen Sie sich die Schule der Zukunft vor?
Ich habe in vielen Gesprächen mit Schülern gemeinsam ein Modell erstellt, das aus drei Schritten besteht:
Erstens: Wir belassen den staatlichen Schulstoff, wie er ist, aber können mit Lerntechniken viel schneller und effizienter lernen. In der Grundschule wird dafür ungefähr eine Stunde am Tag benötigt, später zwei Stunden pro Tag. Die gewonnene Zeit kann für Sport, Musik und Kunst genützt werden sowie für Dinge, die man im Alltag braucht, wie kochen, Reifen wechseln, Atemtechniken, Garten anlegen, usw.
Im zweiten Schritt werden Lehrpläne umgebaut und Veränderung findet statt. Wir entscheiden gemeinsam mit den Kindern über den Schulstoff, der wegfällt wie binomische Gleichungen oder unnütze Details aus der Geschichte. Wenn sich ein Schüler doch dafür interessiert, unterstützen wir das natürlich - aber wie viele interessiert das im Vergleich zu Musik, Sport oder Zwischenmenschlichem?Ausschlaggebend dabei ist, dass Kinder mehr eingebunden werden und den Lehrern auch Feedback geben dürfen. Es kann nicht sein, dass wir sagen, Schule ist für Kinder, aber sie dürfen nicht mitbestimmen.
Der dritte Schritt bedeutet Dezentralisierung: Es gibt keine Vorgaben mehr von oben, kein müssen mehr und wir entscheiden dezentral, wie wir leben wollen. Wir werden mit Lebensmittel oder Geld anders umgehen; im Bezug auf Bildung bedeutet das, Lernorte losgelöst von Strukturen zu kreieren.
Wie kann diese Entwicklung konkret funktionieren?
Die kleinste Einheit, nämlich die Schule, soll wieder selbst entscheiden. Eltern und Lehrer, Schüler und Direktoren haben gemeinsam die Macht. Dazu kommt die freie Bildungsentscheidung: Wir wissen selbst, was wir gerade brauchen, es sollten keine Anordnungen von oben kommen. Jeder soll selbst entscheiden und Basisbildung muss für jeden frei zugänglich sein.
Aber in der Realität werden Schulen von Schulämtern und Bildungsministerien beaufsichtigt. Welche Spielräume sind denn vor Ort überhaupt möglich?
Schulen können fast gar nichts entscheiden; in Österreich nicht einmal darüber, welche Lehrer angenommen werden. Allerdings pfeifen immer mehr Schulleiter auf das, was von oben kommt. Veränderung geschieht von unten, in diesem Fall sind es vor allem die Mütter, die zu meinen Vorträgen kommen und sich Inhalte von meiner Seite herunterladen. Und Veränderung wächst exponentiell, wir haben den Punkt, an dem es ein Zurück gibt, bereits überschritten.
“Wenn du die Schulen, die Bildung änderst, änderst du automatisch alles. Solange du aber meckerst, bist du Teil des Problems.”
Was wünschen Kinder und Jugendliche sich von der Schule?
In den vielen Gesprächen, die ich mit Schülern geführt habe, haben sich zwei Dinge herauskristallisiert: sie wollen Freude am Lernen haben und sie möchten Dinge lernen, die sie später im Leben brauchen können. Alle Kinder wollen lernen, viel mehr, als wir ihnen anbieten, aber ohne Zwang und in ihrem eigenen Tempo. Und nicht am Montag um 8.30 Uhr Mathematik, weil es am Stundenplan steht, obwohl sie gerade viel lieber etwas anderes machen würden.
..Es hat sich bei mir noch kein Kind beschwert, dass es lesen lernen soll. Aber wie lange muss ich suchen, bis ich jemanden finde - außer einen Mathelehrer - der Oberstufenmathematik braucht? Vielleicht gibt es pro Klasse einen Schüler, der sich für Mathematik begeistert, für die anderen ist es sinnlos. In dieser Zeit könnten wir ihnen Kochen beibringen, wie man ein Formular ausfüllt oder einen Reifen wechselt.
Was nützt es dir, eine Gleichung mit zwei Unbekannten zu lösen, wenn du nie gelernt hast, mit dem anderen Geschlecht zu kommunizieren? Oder eine Bewerbung zu schreiben, dich vor jemandem zu präsentieren? Ein eigenes Geschäft aufzubauen oder zu verstehen, wie Zinsen funktionieren? Zu mir hat mal ein Schüler gesagt: Ich weiß, was 328 vor Christus an einem Montag Vormittag unter irgendeinem Kaiser passiert ist, aber ich kenne mich nicht mit einem Mietvertrag für eine Wohnung aus.
Veränderungen scheinen nur langsam zu passieren, was macht Sie so optimistisch, dass es funktionieren kann?
Wir selbst haben den aktuellen Zustand erschaffen, aktiv oder passiv, mit Steuergeldern. Wir haben alle mitgemacht. Wer das Alte kann, unter Druck, Angst und Strafe, der kann das Neue mit Liebe im Herzen erst recht. Mit einer Vision im Kopf und den Kindern an den Händen.
Wenn du die Schulen, die Bildung änderst, änderst du automatisch alles. Solange du aber meckerst, bist du Teil des Problems.
Das ganze Interview könnt ihr hier lesen.